FATF-Evaluierung macht Deutschlands AML-Mängel sichtbar
ArtikelObwohl Deutschland bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Fortschritte gemacht hat, gibt es laut dem Mutual Evaluation Report (MER) 2022 der Financial Action Task Force (FATF) immer noch gravierende Defizite zu beheben.
In dem Bericht werden die besonderen Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hervorgehoben, die sich aus dem Status Deutschlands als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ergeben, sowie aus Faktoren wie der anhaltenden Bedeutung von Bargeld für die deutsche Wirtschaft.
Wichtige Fortschritte
Gleichzeitig äußert sich die FATF auch sehr anerkennend zu den Fortschritten, die Deutschland seit dem MER 2010 gemacht hat – und immer noch macht. Das AML/CFT-Framework des Landes ist messbar stärker als vor 12 Jahren. Zu den von der FATF festgestellten Meilensteinen zählt Folgendes:
- Eine effektive nationale Risikobewertung (NRA), die 2019 durchgeführt wurde und das Verständnis des Landes rund um die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt hat, sowie eine verbesserte Koordination zwischen den Regierungen von Bund und Ländern
- Die Initiierung einer öffentlich-privaten Partnerschaft zur Bekämpfung der Finanzkriminalität
Diese Initiativen haben es Deutschland ermöglicht, die Risiken klarer zu analysieren, die mit Banken, Immobilien, virtuellen Vermögenswerten, Bargeld und grenzüberschreitendem Schmuggel verbunden sind. Zudem hat Deutschland:
- seine Beschlagnahmungsgesetze verbessert
- 2017 seine Financial Intelligence Unit reformiert, um den Schwerpunkt auf Analyse und Forschung zu legen
- sich verpflichtet, der Verfolgung von Geldwäsche Priorität einzuräumen
- in Fällen von Terrorismusfinanzierung wirksam interveniert und sie strafrechtlich verfolgt
Bereiche mit Entwicklungsbedarf
Trotz dieser bedeutenden Schritte bleibt noch einiges zu tun. Im Bericht werden kritische Bereiche aufgezeigt, die noch nicht abschließend adressiert sind.
Schwächen der FIU
Trotz ihrer umfassenden Reform im Jahr 2017 hat die Financial Intelligence Unit nach wie vor mit Problemen zu kämpfen. Die FATF weist darauf hin, dass die Effizienz und die Ressourcen der Behörde verbessert werden müssen, vor allem im Hinblick auf den Zugang zu Daten und modernen Analysetechnologien, um die Abhängigkeit von aufwändigen manuellen Prozessen zu verringern. Die deutschen Behörden führten 2020 – und 2021 erneut – sogar eine Razzia bei der FIU durch, weil sie bei der Prüfung von Verdachtsmeldungen (STRs) in Verzug geraten war.
Ein weiteres Problem ist die geringe Nutzung der FIU-Daten durch die Strafverfolgungsbehörden.
Probleme mit STR-Meldungen und -Leitlinien
Laut der FATF entspricht die Rate der eingereichten STRs nicht dem Risikoprofil Deutschlands in Bezug auf Geldwäsche. Während die Zahl der Meldungen im Finanzsektor (vor allem bei Banken) im Jahr 2020 deutlich angestiegen ist, sind die Meldungen aus anderen gefährdeten Bereichen – wie Unternehmen und Berufen außerhalb des Finanzsektors – stark unterrepräsentiert.
Die FATF geht davon aus, dass auf den nichtfinanziellen Sektor zwischen 20 und 30 % der Geldwäschetransaktionen in Deutschland entfallen. Dennoch stammen 97 % der in Deutschland eingegangenen Verdachtsmeldungen aus dem Finanzsektor – 90 % davon von Banken. Erschwerend kommt hinzu, dass die jüngsten Rückstände der FIU darauf hindeuten, dass die Finanzinstitute wahllos Meldungen einreichen, ohne schwerwiegenden Verdachtsmomenten Vorrang vor geringfügigen Fällen einzuräumen. In der Vergangenheit scheinen die übermäßig weit gefassten STR-Anforderungen des deutschen Rechts diese „defensive Berichterstattung“ gefördert zu haben.
Die übrigen Wirtschaftszweige melden möglicherweise zu wenig, weil es keine ausreichenden Leitlinien dafür gibt, welche Transaktionen von den Institutionen gemeldet werden sollten. Der MER deutet beispielsweise darauf hin, dass juristische Bereiche möglicherweise nichts melden, wenn sie nicht nachweisen können, dass Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stattgefunden hat.
Lücken: Sensibilisierung für Geldwäsche und Strafverfolgung
Obwohl die Risikobewertung 2019 ein gutes Gesamtverständnis der ML/TF-Risiken des Landes gezeigt hat, hebt der Bericht hervor, dass es Deutschland an einem angemessenen Bewusstsein für Geldwäscherisiken mangelt, die durch folgende Faktoren bedingt sind:
- Komplexe Geldwäschetypologien
- Professionelle Netzwerke
- Nutzung von juristischen Personen zur Geldwäsche
- Unbegleitete grenzüberschreitende Bargeldbewegungen (Schmuggel)
- Hawala-Dienste
- Ausländische Vortaten (das Augenmerk liegt fast ausschließlich auf inländischen Vortaten)
Theoretisch sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, bei Geldwäscheaktivitäten einzuschreiten. Wenn es jedoch um die tatsächliche Strafverfolgung geht, bleibt das Land hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Strafverfolgungen, die stattfinden, decken zwar eine Reihe von Typologien ab, versäumen es aber, andere aufzudecken, die als entscheidend gelten (wie die oben genannten).
Transparenzregister: Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der Daten
Die FATF sieht in der Entwicklung eines Transparenzregisters ein effizientes Instrument für Behörden und Bürger, die Informationen über das wirtschaftliche Eigentum eines Unternehmens suchen. Die Untersuchung ergab jedoch, dass derzeit erhebliche Probleme in Bezug auf Umfang und Zuverlässigkeit bestehen. Die verfügbaren Informationen sind unvollständig, ungeprüft und werden nicht korrekt aktualisiert. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich als wirksames Instrument bei der Untersuchung von Geldwäsche und Finanzkriminalität erweisen wird, wenn diese Probleme nicht behoben werden. Es wird gewiss nicht in der Lage sein, das stark (aber nur im Inland genutzte) elektronische Kontenabrufsystem zu ersetzen, solange keine Abhilfe geleistet wird. Da sich die Datenbank noch im Aufbau befindet, könnten diese Probleme allerdings bis Ende 2022 behoben sein.
Vorrangige Maßnahmen
Wie kann Deutschland die in der Evaluierung aufgezeigten Defizite wirksam angehen? Die FATF hat mehrere Empfehlungen ausgesprochen, von denen Deutschland einige bereits in Angriff genommen hat.
Unterscheidung zwischen Geldwäsche und Vortaten
In der Vergangenheit hat das deutsche Recht die Definition der Geldwäsche zu sehr von den Vortaten abhängig gemacht. Diese Konstellation hat künstlich verhindert, dass viele Geldwäschedelikte als solche verfolgt werden konnten.
Der MER der FATF aus dem Jahr 2022 empfiehlt dem Gesetzgeber, Geldwäsche als eigenständigen Straftatbestand zu betrachten, sodass sie effektiver untersucht und verfolgt werden kann. Deutschland hat sich mit seinem Geldwäschegesetz vom März 2021 bereits in diese Richtung bewegt. Obwohl es vor der Evaluierung in Kraft trat, wird diese Änderung mehr Zeit benötigen, bevor sich die Auswirkungen messen lassen.
Bessere Überwachung von Unternehmen und Berufen außerhalb des Finanzsektors
Die begrenzten STR-Meldungen von außerhalb der Finanzbranche gehen mit einem chaotischen Mangel an angemessener Aufsicht einher – die Branche hat derzeit nicht weniger als 300 verschiedene Aufsichtsbehörden. Angesichts der hohen Geldwäscherate außerhalb des Finanzsektors überrascht es nicht, dass die FATF-Empfehlungen die Forderung nach einem stärker zentralisierten Aufsichtsmechanismus enthalten.
Im Sommer 2022 kündigte Deutschland Pläne für eine zentrale Geldwäscheaufsichtsbehörde an – mit einer speziellen Abteilung, die die Aufsicht für Unternehmen und Berufe außerhalb des Finanzsektors koordinieren soll.
Verbesserte STR-Meldungen
Die FATF hat Deutschland aufgefordert, dem Finanz- und Nicht-Finanzsektor klare Leitlinien für die ordnungsgemäße Abgabe einer STR-Meldung an die Hand zu geben. Unklare Verpflichtungen und Gesetze haben den Finanzsektor vermutlich dazu verleitet, zu viele Meldungen zu tätigen – mit schmerzhaften Folgen für die FIU in den letzten Jahren. Gleichzeitig hat dies wahrscheinlich dazu geführt, dass viele andere Branchen zu wenig melden.
Die Reformen des Geldwäschegesetzes von 2021 könnten die Situation bei den Meldungen verbessern. Ohne eine gute Anleitung zur korrekten Identifizierung von Geldwäsche könnten die Finanzinstitute jedoch der Meinung sein, dass diese Änderungen die Szenarien, die sie melden sollten, wahllos ausweiten.
Proaktivere Auflistung und Benennung von Sanktionen
Trotz der guten Erfolge Deutschlands bei der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung drängt die Task Force auf einen proaktiveren Einsatz gezielter Finanzsanktionen. Zudem soll Deutschland mehr Initiative ergreifen, indem es spezifische Einrichtungen und Personen vorschlägt, statt lediglich die von den Vereinten Nationen aufgelisteten Personen zu übernehmen. Es könnte für das Land von Vorteil sein, auch eigene inländische Listen zu erstellen.
Verbesserte Daten und Analysen der FIU
Die Razzien der FIU haben deutliche Lücken in den Ressourcen der Behörde aufgezeigt, insbesondere beim Datenzugang und bei den Instrumenten, die sie zur Datenanalyse einsetzt. Die FATF empfiehlt eine aktive Verbesserung der Ressourcen der FIU, unter anderem beim Datenzugang. Sie rät aber auch dazu, modernste Technologien wie fortschrittliche analytische Methoden oder künstliche Intelligenz zur effizienten Analyse von Daten zu nutzen. Manuelle Systeme reichen einfach nicht aus. In dem Bericht wird außerdem vorgeschlagen, die Analysen der FIU auf die Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden abzustimmen, um diese zu ermutigen, die Erkenntnisse der FIU häufiger zu nutzen.
Nächste Schritte
Obwohl der MER 2022 der FATF erhebliche Kritik am deutschen System übt, zeigen der Bericht und die damit verbundenen Maßnahmen Deutschlands insgesamt, wie ernst das Land seine Verantwortung nimmt. Die Koordinierung eines komplexen Rahmens zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus ist keine leichte Aufgabe. Sie erfordert unzählige Iterationen und ständige Anpassungen. Deutschland hat bewiesen, dass es diese Aufgabe kontinuierlich annimmt, indem es auf Forderungen nach Veränderungen reagiert und ihnen teils sogar zuvorkommt.
Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, sollten den Bericht im Detail lesen, insbesondere die Zusammenfassung und die vorrangigen Maßnahmen, da diese die Grundlage für künftige Änderungen der deutschen AML-Gesetzgebung sowie für Bemühungen zur Verbesserung der Wirksamkeit der bestehenden Vorschriften bilden können.
Leitfaden zum neuen AML/CFT-Framework der Europäischen Union
In unserem Leitfaden erfahren Sie mehr über AML und die Entwicklungen in Europa sowie über die wichtigsten geplanten Reformen, die bis 2023 umgesetzt werden.
Ursprünglich veröffentlicht 08 Dezember 2022, aktualisiert am 08 Dezember 2022
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