Britische Sanktionen nach dem Brexit: Das müssen Sie wissen
SanktionenGemäß den Bestimmungen des Brexit-Austrittsabkommens wurde das EU-Sanktionssystem am 31. Dezember 2020 um 23 Uhr für das Vereinigte Königreich außer Kraft gesetzt. Von diesem Termin an trat der neue Sanktionsrahmen des Vereinigten Königreichs in Kraft, dessen Einzelheiten im Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 (auch „Sanctions Act“ oder SAMLA) definiert wurden.
Wie die Bestimmungen vor dem Brexit dient auch das neue Sanktionsregime des Vereinigten Königreichs der Abschreckung und Bestrafung von Verstößen gegen das Völkerrecht, humanitären Verbrechen und terroristischen Aktivitäten sowie der Erreichung der diplomatischen Ziele der britischen Regierung. Da es auch eines der wichtigsten aufsichtsrechtlichen Themen für die Finanzbranche darstellt, ist es wichtig, dass Banken, Finanzinstitute und andere Verpflichtete ihre neuen Compliance-Verantwortlichkeiten kennen und wissen, wie sich das britische Sanktionsregime nach dem Brexit auf sie auswirkt.
Das britische Sanktionsgesetz
Da die EU-Sanktionen im Vereinigten Königreich nicht mehr gelten, werden sie durch das Sanktionsgesetz in britisches Recht überführt. Das bedeutet, dass die Sanktionen des Vereinigten Königreichs in Bezug auf Einzelpersonen und sanktionierte Länder im Allgemeinen der bestehenden EU-Regelung entsprechen. Um die neue Sanktionslage zu spezifizieren, enthält das Sanktionsgesetz Informationen zu den neuen Vorschriften des Vereinigten Königreichs wie etwa den folgenden Punkten:
- Ziele der britischen Sanktionsregelung
- Arten von Sanktionen, die vom Vereinigten Königreich verhängt werden, z. B. Finanz- oder Handelssanktionen
- Kriterien für die Sanktionierung von Personen im Rahmen der britischen Sanktionsregelung
- Ausnahmen von der britischen Sanktionsregelung
- Melde- und Aufbewahrungspflichten für britische Unternehmen
- Art und Weise, wie die britische Regierung Sanktionen durchsetzt
Am 31. Dezember 2020 hat das Foreign, Commonwealth & Development Office (FCDO) die Liste der autonomen Sanktionen des Vereinigten Königreichs aktualisiert. Sie enthält nun die Länder, Personen, Einrichtungen und Schiffe, die unter die neuen Vorschriften fallen.
Das Vereinigte Königreich wird Sanktionen auch künftig im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen verhängen, z. B. seinen Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen und der konsolidierten Liste des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
Abweichungen bei den Sanktionen
Während es im Allgemeinen eine Angleichung an das EU-Sanktionssystem gibt, wird das Vereinigte Königreich in bestimmten Bereichen davon abweichen. Diese Abweichungen betreffen u. a. folgendes Punkte:
Umsetzung von EU-Sanktionen: Bei der Ausarbeitung seiner neuen Sanktionsbestimmungen wird das Vereinigte Königreich die Rechtsvorschriften der EU nicht direkt umsetzen, um die Verordnung klarer zu gestalten. Dementsprechend sollten sich Unternehmen, wo erforderlich, mit dem Wortlaut der neuen Sanktionsvorschriften vertraut machen.
Geografische Gültigkeit: Vor dem Brexit waren im Vereinigten Königreich erteilte Handelssanktionsgenehmigungen auch in den EU-Mitgliedstaaten gültig. Nach dem Brexit gelten die im Vereinigten Königreich erteilten Sanktionslizenzen jedoch nur noch im Vereinigten Königreich – und nicht mehr innerhalb der Gerichtsbarkeit der EU-Mitgliedstaaten.
Schwellenwerte für die Sanktionierung: Das britische Sanktionsgesetz legt einen niedrigeren Schwellenwert für eine Sanktionierung fest als die EU-Regelung. Im Gegensatz zum „Notwendigkeitstest“ der EU können die Minister der britischen Regierung eine Sanktion verhängen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Person in eine unter die Sanktionen fallende Aktivität verwickelt ist oder mit Personen in Verbindung steht, auf die dies zutrifft. Der niedrigere Schwellenwert kann dazu führen, dass vom Vereinigten Königreich eine größere Anzahl von Sanktionen verhängt wird als von der EU.
Sanktionierung durch Beschreibung: Anders als bei der EU-Regelung kann die britische Regierung nach dem Sanktionsgesetz Sanktionen nicht namentlich, sondern durch eine Beschreibung verhängen. Eine Sanktionierung durch Beschreibung kann nur erfolgen, wenn eine namentliche Sanktionierung nicht möglich ist, und die Beschreibung muss so detailliert und eindeutig sein, dass eine vernünftige Person erkennen kann, dass die betreffenden Personen einer Sanktion unterliegen. Die Sanktionierung durch Beschreibung ist ein relativ unerprobter Bereich bei der Einhaltung von Sanktionen, weshalb mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen ist.
Anfechtung von Sanktionierungen: Im Rahmen der EU-Regelung können sanktionierte Personen ihre Sanktionierung vor europäischen Gerichten anfechten, unabhängig davon, ob diese im Rahmen der UN- oder der EU-Regelung ausgesprochen wurde. Im Rahmen der britischen Regelung können Personen ihre Sanktionierung nur durch Einlegung eines Rechtsbehelfs beim Innenminister anfechten.
Allgemeine Genehmigungen: Die britische Sanktionsregelung orientiert sich an der US-amerikanischen Regelung, indem allgemeine Lizenzen ausgestellt werden, die es Personen gestatten, ansonsten verbotene Aktivitäten im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs durchzuführen. Die allgemeinen Genehmigungen werden vom britischen Office of Financial Sanctions Implementation (OFSI) ausgestellt.
Verordnung zu Sanktionen gegen Russland: Die EU-Liste der sektoralen Sanktionen gegen Russland wird im Sanktionsgesetz durch eine einzelne britische Verordnung zu Sanktionen gegen Russland ersetzt. Die Einzelverordnung weicht in mehreren Punkten von der EU-Regelung ab, unter anderem bei:
- der Beschränkung der von den Sanktionen ausgenommenen Einrichtungen auf Tochtergesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich sowie
- der Ausweitung der Definition von „Finanzhilfe“, um Finanzdienstleistungen und Überweisungen im Zusammenhang mit militärischen Gütern oder der Ölexploration zu verbieten
Aufbau der Sanktionsliste: Die autonome Sanktionsliste des Vereinigten Königreichs umfasst alle im Rahmen des Sanktionsgesetzes vorgenommenen Sanktionen, jedoch nicht mehr die im Rahmen der EU-Regelung vorgenommenen. Zudem enthält die konsolidierte OFSI-Liste ausschließlich Finanzsanktionen.
Europäische und britische Sanktionen: Weitere Perspektiven
Einige Beobachter vermuten, dass künftige Einschränkungen bei den Möglichkeiten des Datenaustauschs zu größeren Abweichungen zwischen den Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs und der EU führen könnten. Unmittelbar nach dem Brexit bleiben jedoch beide Rahmen weitgehend deckungsgleich, da die britische Regierung und die EU gemeinsame rechtliche, politische und diplomatische Ziele verfolgen.
Da die Auswirkungen des Brexit allerdings noch nicht absehbar sind, sind unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Sanktionen weiterhin möglich: Unternehmen sollten ihre Compliance-Prozesse in Zusammenhang mit beiden Systemen sorgfältig prüfen, um künftige Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Vorschriften zu vermeiden.
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Ursprünglich veröffentlicht 09 Juni 2021, aktualisiert am 13 Juni 2022
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